Praktische Antworten auf…
Kopfschmerzen, besonders die Migräne, verlaufen häufigchronisch; teilweise können sie über viele Jahrefortbestehen.
Im Verlauf einer Migräneerkrankung gleichen und wiederholensich die Ängste und Fragen der Patienten.
1.) Ich habe häufig beobachtet, daß Streß beimir eine Migräne auslösen kann. Bedeutet das, daßdie Migräne eine psychische Erkrankung ist?
Migräne ist eine organische Erkrankung, unabhängig davon,daß sowohl positiver wie auch negativer Streß undEmotionen eine Migräneattacke auslösen können. Esgibt keinen “Migränetypus”. Die Migräne kommt gleichhäufig in verschiedenen sozialen Schichten vor, ist alsounabhängig von Iintelligenz, Rasse oderPersönlichkeitsstruktur. Im Laufe der Jahre könnenMigränepatienten, wie übrigens alle chronischenSchmerzpatienten, psychisch belastet oder sogar depressiv wirken.Diese psychischen Auffälligkeiten sind nicht die Ursache derMigräne, sondern die Folge der chronischen Schmerzerkrankung,insbesondere dann, wenn sie ungenügend behandelt ist.
2.) Hat meine Migräne irgend etwas mitDurchblutungsstörungen zu tun, und habe ich ein höheresRisiko, einen Schlaganfall zu bekommen?
Da die Migräne in etwa 5-10 % der Fälle mit einerHalbseitensymptomatik, Augenphänomenen undSprachschwierigkeiten (Aura) einhergehen kann und vor allemPatienten mit schweren Migräneattacken Konzentrations- undMerkfähigkeitsstörungen beklagen, ist diese Frage sehrhäufig. Die Literatur zu diesem Thema ist uneinheitlich.Für eine Migräne ohne Aura gilt jedoch eindeutig,daß Durchblutungsstörungen in der Entstehungsgeschichtekeine Rolle spielen. Nur selten kommt es bei einer Migräne mitAura zu Infarkten im Gehirn. Studien zu diesem Thema sind schwer zuinterpretieren. Es ist sowohl denkbar, daß es in derAuraphase zu einer kurzfristigen Minderversorgung bestimmterHirnabschnitte kommt, zum anderen kann aber ein Infarkt wie eineMigräne aussehen, oder der Infarkt Folge einer Migränesein und nicht umgekehrt. Aus rein epidemiologischer Sicht bedeuteteine Migräneerkrankung nur dann ein erhöhtes Risikofür einen Schlaganfall, wenn bei Frauen über 30Lebensjahren weitere Risikofaktoren wie medikamentöseEmpfängnisverhütung, übermäßigerNikotingenuß und hoher Blutdruck hinzukommen. Allerdings kanndie Migräne als Risikofaktor für einen Schlaganfall imGegensatz zu Nikotingenuß und medikamentöserEmpfängnisverhütung nicht beeinflußt werden.
3.) Hat die Migräne etwas mit meinerHalswirbelsäule zu tun?
Sehr viele Migränepatienten erleben den Schmerz anfangs imNacken einsetzend und dann halbseitig zur Stirn ausstrahlend. Vielegeben zusätzlich eine Nackenverspannung an. Die Ursache derMigräne ist nicht eine Erkrankung der Halswirbelsäule.Die Migräne projiziert Schmerz in den Nacken, d. h.Nackenverspannungen sind Folge der Attacke und nicht umgekehrt. Dashäufige “Einrenken” der Halswirbelsäule ist also einesinnlose Therapie.
4.) Was passiert in meinem Gehirn während einerMigräneattacke?
Typischerweise kommt es in der Vorphase der eigentlichenMigräneattacke zu Gereiztheit undKonzentrationsstörungen, manche Patienten geben einen ehereuphorisierten Zustand oder auch Heißhungerattacken an. DieseSymptome sind, wie auch der langsam zunehmende Kopfschmerz,unangenehm, aber nicht gefährlich. Das langsame Auftreten undAbklingen der Symptome spricht für eine vorübergehendeund vor allem gutartige Nerven-Funktionsstörung verschiedenerSysteme des Gehirns und sekundär z.B. auch desMagen-/Darm-Traktes. Im Gegensatz hierzu setzen bei deneigentlichen Durchblutungsstörungen des Gehirns die Symptomeschlagartig ein (Schlaganfall).
5.) Ist die Migräne erblich und werden meineKinder ebenfalls an einer Migräne erkranken?
Zwischen 40 und 60 % aller Migränepatienten haben einefamiliäre Belastung. Dies erleichtert in schwierigenFällen sogar die Diagnose. Auch wenn man von einem polygenenErbgang ausgehen muß, ist der genaue Vererbungsmodus nichteindeutig geklärt. Nach Zwillingsstudien ist das Auftreten vonMigräne zu 30 bis 50 % genetisch mitbestimmt. Es besteht alsoeine eindeutige erbliche Bereitschaft, an Migräne zuerkranken. Ob eine Migräneerkrankung wirklich eintritt odernicht, hängt jedoch auch von häufigen Faktoren wieHormonstatus, Streßbelastungen, Diätfehlern etc.zusammen. Keinesfalls müssen die Kinder einesMigränepatienten automatisch eine Migräne bekommen.
6.) Gibt es eine spezifische Diät, die icheinhalten muß?
Eine spezifische Diät gibt es nicht. Die meistenMigränepatienten kennen ihre persönlichenMigräneauslöser sehr gut und werden von vornherein dieseFaktoren vermeiden. Obwohl Nahrungsmittel wie bestimmteKäsesorten, Schokolade, chinesisches Essen und der Genußvon Rotwein gelegentlich als Auslöser genannt werden, sind esüblicherweise Kombinationen verschiedener Triggerfaktoren, dieeine Migräneattacke auslösen. Deshalb hat es meistenskeinen Sinn auf ein bestimmtes Lebensmittel zu verzichten oder einebestimmte Diät einzuhalten. Häufig geht der eigentlichenMigräneattacke – einige Stunden bis zu einem Tag zuvor – einsogenanntes Prodromalstadium (Vorstufe) voraus, das sich nebenGereiztheit und Stimmunngsschwanken auch inHeißhungerattacken ausdrücken kann. Nahrungsmittel, diewährend dieser Phase verzehrt werden, können dannfälschlicher Weise als Ursache der Migräneattackeverkannt werden.
7.) Hat meine Migräne etwas mit den Hormonen zutun?
Die Migräneerkrankung ist bei Frauen 3mal so häufig wiebei Männern, manifestiert sich oft erstmalig in der Menarcheund sistiert in der Menopause. Ab dem dritten Schwangerschaftsmonatsetzt die Migräne in 60-80 % aus. Alle diese Faktoren deutenauf einen deutlichen Zusammenhang zwischen Hormonen undMigränekopfschmerz hin. Versuche einer Behandlung derMigräne mit Hormonen schlagen jedoch meist fehl. Manche Frauenhaben unter der Pille weniger, andere mehr Attacken. DieMigräne ist also keinesfalls ein Grund für eineHormonbehandlung.
8.) Kann die Migräne geheilt werden?
Die vielleicht häufigste Frage. Die klare Antwort heißt:Nein. Sie läßt sich jedoch in 60-80 % mit adäquatenTherapien so positiv beeinflussen, daß dieLebensqualität des Patienten deutlich gesteigert ist. Die dreiFaktoren, die eine deutliche Besserung der Migräne bestimmen,sind 1. eine effektive Attackentherapie, 2. eine konsequenteMigräneprophylaxe und 3. eine unterstützendeVerhaltenstherapie.
9.) Sind Medikamente das einzige, was ich gegen dieMigräne tun kann ?
Zu alternativen Therapieverfahren existieren nur wenigekontrollierte Studien. Es ist bekannt, daß dasMuskelrelaxationstraining nach Jacobson einen signifikantenpositiven Effekt hat. Dies gilt aber nicht für Psychotherapie,Hypnose, Neuraltherapie o.ä. Andererseits wäre esanmaßend zu behaupten, daß alternativeTherapieansätze grundsätzlich nicht helfen können.Strikt abgelehnt werden sollte jedoch alles, was dem Patientenschaden oder ihn unnötig Geld kosten kann.
10.) In meiner Familie ist vor kurzem jemand an einemHirntumor verstorben. Ich bin mir nicht sicher, ob mein Kopfschmerzwirklich nur eine Migräne ist.
Bei einem primären Kopfschmerz, dessen Symptomatik schon seitJahren immer gleich ist, ist eine bildgebende Untersuchung nichterforderlich. In den seltenen Fällen, in denen Patienten einedirekte Tumorangst verspüren, kann man, um eineTumorerkrankung auszuschließen, eine Computer-tomographieohne Kontrastmittel durchführen.